| | | | | | | | | Ihr Morning-Briefing um 6 Uhr | | | Montag, 24. Januar 2022 | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | Leiter des SPIEGEL-Hauptstadtbüros | | | | | | | | Liebe Leserin, lieber Leser,
heute beschäftigen wir uns mit Regeln und dem Verzicht auf Regeln: im Kampf gegen Omikron, in der Auseinandersetzung mit Wladimir Putin und bei der Neuaufstellung der CDU. | | | | | | | | | | | Omikron, oder: Wie es Euch gefälltDie Corona-Story ist auch eine Geschichte der Knappheit. Klopapier, Masken, Tests, Impfstoffe, Krankenbetten – war alles schon mal knapp. Gegenwärtig sind es in Deutschland wieder die PCR-Tests (bevor es in etwa zwei Wochen neuerlich die Betten sein werden). Zeit für eine Ministerpräsidentenkonferenz! Heute beraten die Regierungschefinnen und -chefs der Länder mit Kanzler Olaf Scholz, wie es im Kampf gegen Omikron weitergehen soll. Spoiler: grundsätzlich genauso wie bisher. Das ist dem uns vorliegenden Entwurf der sogenannten Beschlussvorlage zu entnehmen. | | | | | | | | | | | | | MPK-Regisseure Wüst, Scholz, Giffey (John Macdougall / dpa) | | | | | | | | Allerdings wird der Kurs beim Testen geändert. Um den PCR-Test-Engpässen entgegenzuwirken, soll künftig im Falle des Falles priorisiert werden. Die gern auch als »Goldstandard« gelobten PCRs sind demnach vorrangig für vulnerable Gruppen und Beschäftigte in Krankenhäusern und vergleichbaren Einrichtungen eingeplant. Der Rest von uns macht bei Knappheit Schnelltests. O-Ton des Entwurfs: »Bei auftretenden Engpässen ist es ... unabdingbar, Priorisierungen vorzunehmen.« So funktioniert der Knappheitsreigen in Coronazeiten: Nicht etwa das Angebot ist bereits vorausschauend erhöht worden, sondern der Mangel wird mit Priorisierung bekämpft. Erinnern Sie sich noch an die Impfstoffverteilung? Genau. Na gut, beim Klopapier gab es keine Priorisierung. Da galt das Recht der Stärkeren. Wobei: Die Priorisierung bei PCR-Tests wird sicher nicht dazu führen, dass die kommerziellen Anbieter ihre Läden dicht machen. Jene, die es sich leisten können, werden sich ihre Sicherheit dann kaufen, Geringverdiener und ihr (vielleicht auch vulnerables?) Umfeld werden mit der Schnelltest-Unsicherheit klarkommen müssen. So führt nicht jede neue Regelung zu einem geregelten Alltag. Und in manchen Bereichen gibt es womöglich bald nicht mal mehr eine Regelung: etwa bei der Kontaktnachverfolgung. Weil die Gesundheitsämter ja ebenfalls »beschränkte Kapazitäten« haben (wann hatten sie das in den vergangenen knapp zwei Jahren eigentlich nicht?), soll bei der Nachverfolgung priorisiert werden. Die Leute sollen künftig »eigenverantwortlich ihre Kontaktpersonen informieren«, heißt es in dem Entwurf, Stand Sonntagabend. Für viele von Ihnen klingt das wahrscheinlich leider gar nicht so neu, vermute ich. Merz ist TrumpfFriedrich Merz hat sich am Wochenende in eine große Tradition eingereiht. Wie Helmut Kohl und andere Vorsitzende vor ihm, hat er auf offener Bühne ein Tränchen verdrückt. Bei Merz war es allerdings nicht der Mantel der deutschen Geschichte, der ihn erst be- und dann gerührt hat, sondern sein formidables Wahlergebnis: Mit knapp 95 Prozent kürten ihn die Christunionisten am Samstag zu ihrem neuen Chef. | | | | | | | | | | | | | CDU-Politiker Merz (HANNIBAL HANSCHKE / AP) | | | | | | | | 95 Prozent, hat es das jemals gegeben? Lassen Sie mich kurz nachdenken. Ja, das hat es. Der unvermeidliche Kohl kam 1990 auf 98,5 Prozent. Aber hey, das war das Einheitsjahr, zählt nicht. Nur Pech für Merz, dass da noch eine andere war, die mehr holte: 2012 erreichte diese Vorgängerin 97,9 Prozent. Sie wissen schon, wer das war. Wenn der Fünfundneunzigprozentmerz nun den Regeln der Machtakkumulation folgt, dann wird Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus im Frühjahr sein Amt verlieren. Denn eigentlich alles spricht dafür, dass Merz Partei- und Fraktionsvorsitz auf sich vereinen muss und wird, um ein schlagkräftiger Oppositionsführer zu werden. Und dafür gibt es gute Beispiele. Vor 20 Jahren entriss die damalige CDU-Vorsitzende nach einer Wahlniederlage dem amtierenden Fraktionschef dessen Amt. Der Mann hieß Friedrich Merz, und die Frau, na, Sie wissen schon. Putins PokerDer »Abgott der Nationalisten« hat ein »Raubgeschäft« gemacht, eine »kühne, schamlose Transaktion«. So schrieb einst Golo Mann nicht über Wladimir Putin (weil er den ja noch nicht kennen konnte). Sondern über Friedrich den Großen, der sein Preußen auf Kosten Polens groß machte: territoriale Integrität nicht geachtet, rechtswidrig annektiert. | | | | | | | | | | | | | Russischer Präsident Putin (MIKHAIL METZEL / AFP) | | | | | | | | Heute hat dieser Friedrich 310. Geburtstag und Europa wirkt gerade seltsam zurückversetzt in eine Zeit der Regellosigkeit, in der der Stärkere droht, sich einfach zu nehmen, was er will. Wird Putin die Ukraine tatsächlich überfallen? Mehr als 100.000 russische Soldaten stehen im Norden, Osten und Süden der Ukraine. Heute treffen sich die EU-Außenminister in Brüssel, um wieder einen Ausweg aus der Krise mit Russland zu suchen. Wobei ich den Eindruck habe, dass insbesondere die Deutschen in den vergangenen Tagen nicht gerade zur Entspannung beigetragen haben. Erst waren da die schrägen Äußerungen des inzwischen zurückgetretenen Marine-Chefs Kay-Achim Schönbach (»Was Putin wirklich will, ist Respekt«), dann die wiederkehrenden Signale, dass man es hierzulande mit Sanktionsdrohungen nicht allzu ernst meint: Drohungen und »immer härtere Sanktionen« könnten »allein nicht die Lösung sein«, sagte CSU-Chef Markus Söder der »FAZ«. Und neue Sanktionen würden »zudem oft uns selbst genauso schaden«. Ein Krieg in Europa würde uns übrigens auch schaden. | | | | | | | | | | | | | Putin-Analystin Hill (Alex Brandon / picture alliance/dpa/AP) | | | | | | | | Ich möchte Sie an dieser Stelle noch einmal auf unser Interview mit der langjährigen Präsidentenberaterin Fiona Hill von der US-Denkfabrik Brookings hinweisen. Fiona Hill ist eine der besten Putin-Kennerinnen im Westen, vor einigen Jahren habe ich sie in ihrem damals mit einem sowjetischen Propagandaplakat geschmückten Büro in Washington besuchen dürfen; und schon damals warnte sie davor, dass wir Putins Motive zu oft nicht klar analysieren. Nun sagt sie: »Ich glaube, Putin geht es im Kern darum, die USA aus Europa hinauszudrängen … Er versucht, die USA aus Europa herauszudrängen, so wie die Sowjetunion vor fast 30 Jahren aus Osteuropa herausgedrängt wurde.« Es gehe also nicht nur um die Ukraine: »Dies ist ein Angriff auf das System der internationalen Beziehungen … Im Kern geht darum, dass ein Land dem anderen sagt, es habe kein Recht, zu existieren.« Vielleicht sind härtere Sanktionen doch keine ganz dumme Idee. Gewinner des Tages…… ist der Frack. Das Ludwig-Erhard-Zentrum in Fürth zeigt in einer Ausstellung ab heute Gegenstände aus dem Privatnachlass des zweiten Kanzlers und früheren CDU-Chefs (nur 75,4 Prozent!), darunter den Frack, in dem er 1963 vor dem Bundestag vereidigt wurde. Bayerns Ministerpräsident Söder wird auch kommen. Da kann sich der Frack freuen, mal wieder so im Rampenlicht zu stehen. Der aktuelle Kanzler übrigens hat bei der Vereidigung im Dezember auf Frack und Gottesformel verzichtet. Halte ich beides für einen Fortschritt, aber im Museum sind solche Dinge doch sicherlich schön anzusehen. | | | | | | | | Die jüngsten Meldungen aus der Nacht | | | | | | | | Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heuteIch wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag. Ihr Sebastian Fischer | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | Jetzt laden: Die SPIEGEL-App für iOS und Android | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | DER SPIEGEL GmbH & Co. KG Ericusspitze 1 • 20457 Hamburg Tel. 040 3007-0 E-Mail: spiegel@spiegel.de
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