| | | | | | | | | Ihr Morning-Briefing um 6 Uhr | | | Samstag, 22. Januar 2022 | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | Leiter Hauptstadtbüro, DER SPIEGEL | | | | | | | | Liebe Leserin, lieber Leser,
heute geht es um den CDU-Parteitag, auf dem Friedrich Merz den Neustart der Partei einläuten will. Wir beobachten die Entspannungsbemühungen im Ukrainekonflikt. Wir fragen uns, ob die Politik schon an einer Strategie für den Exit aus der Coronapandemie arbeitet. Und: Angela Merkel hat dreimal nein gesagt. | | | | | | | | | | | Merz ist (fast) am ZielMan mag es kaum glauben: Armin Laschet ist immer noch Vorsitzender der CDU. Und er wird es formal sogar noch bleiben, wenn der Parteitag am Samstag das Ergebnis der Mitgliederbefragung nachvollzieht und Friedrich Merz zu seinem Nachfolger bestimmt. Aus rechtlichen Gründen müssen die Delegierten ihr Votum beim virtuellen Treffen nämlich erst noch schriftlich bestätigen, sodass der neue Chef erst nach Auszählung der Briefwahl am 31. Januar offiziell im Amt ist. | | | | | | | | | | | | | Friedrich Merz (Michael Kappeler / dpa) | | | | | | | | De facto aber schwingt Merz in der CDU natürlich jetzt schon das Zepter, und beim Online-Parteitag will er im zarten Alter von 66 Jahren den Neustart der Partei einläuten, inhaltlich und personell. Neben dem Chefposten werden auch Präsidium und Vorstand komplett neu besetzt. Mario Czaja soll Paul Ziemiak als Generalsekretär beerben, von den bisherigen stellvertretenden Vorsitzenden wird wohl nur Silvia Breher ihren Job behalten. Für den erweiterten Vorstand rangeln 40 Bewerberinnen und Bewerber um 26 Plätze. Die Parteiführung, so wünscht es sich der künftige Vorsitzende, soll künftig jünger und weiblicher sein. Am Ende aber zählt vor allem, ob Merz die Christdemokraten rasch wieder aufrichten und zu einer schlagkräftigen Opposition formen kann. »Zuerst war die Schockphase, jetzt sind wir in der Gewöhnungsphase«, sagt Merz selbst. Er hoffe, »dass nach dem Parteitag relativ schnell die Aufbruchphase folgt.« Dafür muss er schaffen, woran Armin Laschet und Annegret Kramp-Karrenbauer gescheitert sind: die Partei hinter sich zu vereinen. Um im dritten Anlauf endlich den Vorsitz zu erobern, hat sich Merz im parteiinternen Wahlkampf nach Kräften bemüht, das Image als konservativer Knochen abzustreifen, das die Liberalen in den eigenen Reihen lange verschreckt hat. Nun, analysiert mein Kollege Florian Gathmann, müsse Merz als Parteichef beweisen, »dass ihm beides gelingt: seine Fans vom konservativen Flügel, die ihm über all die Jahre die Treue gehalten haben, nicht zu enttäuschen – und gleichzeitig auch jene vom anderen Flügel anzusprechen, die ihn offenbar ebenfalls gewählt haben«. Zeit für eine ausgeprägte Gruppentherapie hat Merz nicht: Die Frage, wer künftig die Unionsfraktion im Bundestag führt, muss rasch geklärt werden, es droht ein Machtkampf zwischen Merz und Amtsinhaber Ralph Brinkhaus, der vorerst bis zum 30. April gewählt ist. Und im März und Mai stehen drei Landtagswahlen an: Im Saarland, in Schleswig-Holstein und in NRW hat die CDU die Staatskanzleien zu verteidigen – das fällt leichter, wenn die Union auch im Bund wieder Tritt gefasst hat. Wer redet, schießt nicht»Wie weit geht Putin?« So fragen wir diese Woche auf dem Titel des neuen SPIEGEL-Hefts. Zugegeben, eine belastbare Antwort darauf zu geben, ist so gut wie unmöglich. Denn nur Russlands Präsident selbst weiß wohl, ob er wirklich eine Invasion der Ukraine plant oder zumindest erwägt. Oder ob die größte militärische Drohkulisse seit Ende des Kalten Krieges, die er seit Wochen an der Grenze aufbaut, nur dazu dient, »Sicherheitsgarantien« des Westens zu erpressen. | | | | | | | | | | | | | Antony Blinken, Sergej Lawrow (ALEX BRANDON / AFP) | | | | | | | | Am Freitag haben die Außenminister der USA und Russlands in Genf miteinander gesprochen – kürzer als geplant. Konkrete Ergebnisse, wen wundert es, gab es zunächst nicht. Man habe ja nicht verhandelt, sondern nur Standpunkte ausgetauscht, heißt es. Als wären die nicht längst bekannt. Immerhin, beide Seiten wollen weiterreden. Und wer miteinander redet, der schießt nicht aufeinander. Die Gefahr einer Eskalation, eines Krieges bleibt dennoch ganz real. Meine Kollegin Christina Hebel in Moskau und mein Kollege Roland Nelles in Washington analysieren, wie es weitergehen könnte: Der neue SPIEGEL widmet sich ausführlich der dramatischen Lage im Osten Europas. Ein Team aus dem Hauptstadtbüro zeichnet nach, wie schwer sich die Ampelregierung damit tut, im Umgang mit Russland einen entschlossenen und geschlossenen Kurs zu finden – sei es bei möglichen Waffenlieferungen an die Ukraine, bei Finanzsanktionen gegen Russland oder in der Frage, ob Putins Prestigeprojekt, die Ostseepipeline Nord Stream 2, doch noch beerdigt werden könnte: Die Kollegen aus dem Wirtschaftsressort analysieren, mit welchen Sanktionen der Westen Russland wehtun könnte – und welche der eigenen Wirtschaft schaden würden: In einem SPIEGEL-Gespräch versuchen die drei Russland-Expertinnen Nina Chruschtschowa, Sabine Fischer und Masha Gessen zu erklären, was Wladimir Putin in dem Konflikt antreibt: Das Auslandsressort hat außerdem ergründet, wie es um die Verteidigungsfähigkeit der ukrainischen Armee bestellt ist. Wie lange könnten sie eine russische Invasion tatsächlich abwehren? Und meine Kollegin Lina Verschwele war in Charkiw, der zweitgrößten Stadt der Ukraine. Sie beschreibt, wie die Menschen hier, nahe der russischen Grenze, mit der Angst vor einem Angriff leben: Das Corona-ParadoxDie Infektionszahlen steigen und steigen, jeden Tag registrieren die Behörden in Deutschland neue Höchstmarken bei den Neuansteckungen. Mit dem Höhepunkt der Omikron-Welle rechnet Gesundheitsminister Karl Lauterbach erst Mitte Februar, bis dahin könnte es bald täglich mehrere Hunderttausend neue Coronafälle geben. | | | | | | | | | | | | | Anzahl der Neuinfektionen am 21. Januar 2022 (Revierfoto / imago images/Revierfoto) | | | | | | | | Die Testlabore stoßen wegen dieser Dynamik längst an ihre Kapazitätsgrenzen. Daher will Lauterbach mit den Gesundheitsministerinnen und -ministern der Länder an diesem Samstag über seine Pläne für eine neue Testverordnung beraten: PCR-Tests von Mitarbeitern aus Krankenhäusern, Pflegeheimen und Behinderten-Einrichtungen sollen künftig vorrangig analysiert werden. Am Montag kommen dann wieder die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz zum Coronagipfel zusammen. Weil sich zwar die Welle weiter aufbaut, gleichzeitig aber ein Kollaps der Krankenhäuser nicht in Sicht ist, ist vorerst nicht mit einer Verschärfung der Coronaregeln zu rechnen. Bayerns Regierungschef Markus Söder bringt sogar erste Lockerungen – etwa für Kulturveranstaltungen – ins Spiel. Corona paradox? Sind das die ersten Vorboten eines Strategiewechsels in der Krisenpolitik, wie ihn Söder jüngst angekündigt hatte? Treten wir in eine neue Phase der Pandemie ein, weil Omikron zwar ansteckender ist, eine Erkrankung aber meist auch milder verläuft? Eine Kehrtwende wie in anderen Ländern, die trotz weiterhin enormer Infektionszahlen Maßnahmen aufheben, wird es am Montag noch nicht geben. Aber, das hat ein SPIEGEL-Team bei seinen Recherchen in der vergangenen Woche registriert, die Politik denkt immer konkreter über mögliche Exit-Strategien nach. Auch weil immer klarer wird, dass sich das Virus nicht einfangen lässt, dass sich Ansteckungen nicht mehr verhindern, sondern maximal bremsen lassen. Nebeneffekt: Auch die Zweifel an einer allgemeinen Impfpflicht, die plötzlich so viele Befürworter fand, wachsen wieder. Vor ein paar Tagen habe ich an dieser Stelle geschrieben, dass ich auch persönlich nicht mehr die Dramatik der Coronalage verspüre – trotz immer neuer Infektionsrekorde. Inzwischen aber komme ich wieder ins Grübeln: Wähnen wir uns zu früh auf dem Weg in die Endemie? Werden wir zu leichtsinnig und marschieren im Glauben, alles sei bald vorbei, in die nächste, wievielte Welle auch immer? Ohne Impfpflicht, unvorbereitet, wieder einmal? Es ist nur so ein Gefühl. Ein ungutes. Die Absagen der Woche…… kommen von Angela Merkel. Gleich drei davon sind in dieser Woche überliefert, nachdem man seit ihrem Abschied vor einigen Wochen länger nichts von ihr gehört hatte. Erst wurde bekannt, dass sie Uno-Generalsekretär António Guterres abblitzen ließ, der ihr einen Job bei den Vereinten Nationen angeboten hatte. Angesichts der Stellenbeschreibung war die Absage mehr als verständlich: Beraterin in einem Gremium zum Umgang mit öffentlichen Gütern. Nun ja. | | | | | | | | | | | | | Angela Merkel verlässt den Bundestag (ANNEGRET HILSE / Reuters) | | | | | | | | Ebenfalls nachvollziehbar: Die Altkanzlerin verzichtet darauf, Ehrenvorsitzende der CDU zu werden. Wohl nicht nur, weil Merkel für derlei Pseudoämter viel zu uneitel ist. Der bislang einzige Ehrenvorsitzende der Christdemokraten war Helmut Kohl, und der gab diesen Titel in der Spendenaffäre zurück, nachdem die damalige Generalsekretärin Angela Merkel ihre Partei dazu aufgerufen hatte, sich endlich von Kohl loszusagen. Und jetzt soll ausgerechnet Merkel die nächste Ehrenvorsitzende werden? Nein, danke. Und dann hat es auch noch Friedrich Merz versucht. Nach SPIEGEL-Informationen wollte der designierte neue CDU-Chef am heutigen Samstagabend, nach seiner Wahl durch den Parteitag, mit allen noch lebenden Vorgängerinnen und Vorgängern dinieren. Armin Laschet und Wolfgang Schäuble sagten zu, Annegret Kramp-Karrenbauer und Angela Merkel gaben Merz einen Korb. Die Altkanzlerin führte »terminliche Gründe« an. Das ist dann doch ein bisschen dürftig. | | | | | | | | Die jüngsten Meldungen aus der Nacht | | | | | | | | Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heuteIch wünsche Ihnen ein wunderbares Wochenende. Herzlich, Ihr Philipp Wittrock | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | Jetzt laden: Die SPIEGEL-App für iOS und Android | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | DER SPIEGEL GmbH & Co. KG Ericusspitze 1 • 20457 Hamburg Tel. 040 3007-0 E-Mail: spiegel@spiegel.de
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