Auch in Deutschland hatten Schönheitschirurgen gut zu tun. Der Mediziner Christian Fitz, der in Stuttgart die Klinik auf der Karlshöhe betreibt, kennt den Grund für die Hochkonjunktur just im ersten Corona-Lockdown: »Ich glaube, das lag daran, dass die Leute mehr Zeit hatten. Und auch mehr Geld, denn Urlaubsreisen waren ja nicht möglich. Und noch ein wichtiger Grund kam hinzu: Normalerweise ist es ja nicht ganz einfach, so eine Operation in den normalen Arbeitsalltag zu integrieren. Nun auf einmal konnten sich jedoch viele im Homeoffice verstecken, während die OP-Narben verheilten.« Das eigene Aussehen verbessern zu wollen, gilt inzwischen nicht mehr nur als exaltierter Spleen von Narzissten. Allmählich hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass hängende Bäuche und Brüste bei den Betroffenen einen ernst zu nehmenden Leidensdruck auslösen. Dass Menschen unter ihrem Aussehen leiden, wusste bereits vor rund 500 Jahren der französische Militärchirurg Amroise Paré (1510 bis 1590). Parés Patienten waren Soldaten, deren Gesichter und Körper von neuartigen Schrapnell-Geschossen zerfetzt worden waren. Hinzu kamen Unfälle bei der Tierhaltung, gefährliche Handwerksarbeit, dazu erblich bedingte Leiden wie etwa die gefürchtete Lippen-Kiefer-Gaumenspalte und verunstaltende Krankheiten wie die Syphilis. All diese Einflüsse machten aus den Menschen dieser Zeit eine Gesellschaft der Invaliden und Entstellten. Aus einer Vielzahl von Quellen wie medizinischen Schriften, Zeitungsartikeln und Reiseberichten hat die britische Literaturwissenschaftlerin Alanna Skuse von der University of Reading in England in ihrem neuesten Buch die Anfänge der Schönheitsindustrie rekonstruiert. Ambroise Paré war demnach ein Pionier auf dem Gebiet der plastischen Chirurgie. Für diese Versehrten der Zeit ersann der Arzt eine Vielzahl von Prothesen. Die Grundmotivation Parés mutet auch heute erstaunlich modern an: Es reiche nicht, einfach zu überleben, meinte Paré. Es müsse dem Patienten auch möglich sein, ein normales Leben zu führen. Was würde Paré wohl zu Eingriffen wie dem Brazilian Butt Lift oder Brustvergrößerungen sagen, wenn er heute lebte? Herzlich Ihr Frank Thadeusz (Feedback & Anregungen?) |