| | | | | | | | | Ihr Morning-Briefing um 6 Uhr | | | Montag, 17. Januar 2022 | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | Leiter Hauptstadtbüro, DER SPIEGEL | | | | | | | | Liebe Leserin, lieber Leser,
heute reisen wir mit Außenministerin Annalena Baerbock in die Ukraine und begleiten sie später auch nach Moskau. Droht wirklich Krieg im Osten Europas? Wir gehen der Frage nach, wie es Alexej Nawalny ein Jahr nach seiner Festnahme geht. Und wir erwarten in ganz Deutschland neue Proteste gegen die Coronaregeln. | | | | | | | | | | | In aussichtsloser MissionAnnalena Baerbock steht zu Beginn dieser Woche vor ihren bisher herausforderndsten Antrittsbesuchen. Die Außenministerin reist heute zunächst in die Ukraine, um dort ihren Amtskollegen Dmytro Kuleba und den Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu treffen. Abends geht es weiter nach Moskau, dort kommt sie am Dienstag mit Außenminister Sergej Lawrow zusammen. | | | | | | | | | | | | | Ukrainische Soldaten in der Region von Donezk (am 7. Dezember) (Andriy Dubchak / AP) | | | | | | | | Dass die Grünenpolitikerin im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine für Entspannung sorgen könnte, ist nicht zu erwarten – was nichts mit Baerbock persönlich zu tun hat. Die Lage ist so verfahren, die Fronten so verhärtet, dass derzeit überhaupt kein diplomatischer Ausweg in Sicht ist. Russland beharrt auf schriftlichen »Sicherheitsgarantien«, wirft den USA, Europa und der Nato Provokationen vor, als hätte es die Ukraine nicht über Jahre selbst destabilisiert. Derweil hat Wladimir Putin rund 100.000 Soldaten an der Grenze zusammengezogen, die Amerikaner befürchten False-Flag-Aktionen russischer Agenten auf ukrainischem Territorium, um einen Vorwand für vermeintliche Vergeltungsaktionen zu schaffen – die Kriegsgefahr im Osten Europas ist real. In dieser dramatischen Situation ist Deutschland genau wie die ganze Europäische Union kein wirklich einflussreicher Player. Schon Angela Merkel, die Putin wahrlich gut kannte, musste in den vergangenen Jahren erfahren, dass Russlands Präsident kaum noch zu irgendwelchen Zugeständnissen bereit ist. Die Beziehungen sind auch nach dem Berliner Tiergarten-Mord oder dem Nowitschok-Anschlag auf Kremlgegner Alexej Nawalny (siehe dazu auch weiter unten) zerrüttet. Die Ukraine wiederum wünscht sich mehr Unterstützung aus Berlin, unter anderem durch Waffenlieferungen, und ist entsetzt, dass die Deutschen immer noch an Nord Stream 2 festhalten. Baerbock und ihre Partei sehen die Ostseepipeline zwar kritisch, die SPD dagegen will von geopolitischen Implikationen nichts wissen – alles reine Privatwirtschaft. Die Ampel ist sich im Kurs gegenüber Russland nicht einig, und dafür, dass Olaf Scholz die Außenpolitik zur Chefsache machen will, ist vom Kanzler zur Krise an der Ostgrenze der Ukraine außer ein paar mahnenden Worten nicht viel zu hören. Während Baerbock nach Kiew und Moskau fliegt, macht sich Scholz an diesem Montag übrigens auf den Weg nach Madrid. Wir sind bei beiden Reisen dabei, mein Kollege Christoph Schult begleitet die Außenministerin, meine Kollegin Melanie Amann den Bundeskanzler. Standhaft gegen Putins RepressionenDer Name Alexej Nawalny fiel eben schon. Genau ein Jahr ist es an diesem Montag her, dass der Kremlgegner nach seiner Rückkehr in der russischen Hauptstadt festgenommen wurde – nachdem er sich zuvor monatelang in Deutschland von einem Anschlag mit dem Nervengift Nowitschok erholt hatte. | | | | | | | | | | | | | Nawalny in einem Video, aufgenommen im Gefängnis (am 28. Dezember 2021) (Evgeny Feldman / AP) | | | | | | | | Um seinen schärfsten Gegner kaltzustellen, ist Putin jedes Mittel recht, keine Strafe zu plump. Nawalny sitzt in der berüchtigten Strafkolonie IK-2 in Pokrow ein, »unser nettes Konzentrationslager«, wie es der prominente Gefangene selbst nennt. Für ihn wurde dort nach Angaben eines früheren Mithäftlings eigens eine Art Lager im Lager eingerichtet. Meine Moskauer Kollegen Christina Hebel, Alexander Chernyshev und Christian Esch haben mit Mitstreiterinnen und Mitstreitern Nawalnys gesprochen, mit seiner Anwältin und seinem Bruder. In ihrer Geschichte zeichnen sie eindrucksvoll nach, wie es Nawalny in der Haft ergeht, wie er den ständigen Schikanen, dem andauernden psychischen Druck trotzt. Wie er sich trotz drohender jahrzehntelanger Haft nicht unterkriegen lässt. Seit Nawalny in der Strafkolonie sitzt, ist Russland noch repressiver im Umgang mit der Opposition geworden, hat Putin nicht nur Nawalnys Bewegung nahezu vollständig verboten, vertrieben, zum Schweigen gebracht. Dieser Präsident hat keine Hemmungen, wenn es um den eigenen Machterhalt, um die Sicherung der eigenen Einflusssphäre geht. Auch daran sollte man in diesen Tagen beim Blick auf den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine denken. Spaziergang mit StaatsfeindenAuch an diesem Montag marschieren sie wieder gegen die Coronaregeln und die mögliche Impfpflicht, in Rostock, Schwerin, Neubrandenburg, Greifswald, Berlin und anderen Städten. Nicht immer sind die Demos angemeldet, schließlich trifft man sich ja nur zum »Spaziergang«. Es laufen mit: Familien mit kleinen Kindern, pandemiegenervte Normalos, radikale Impfgegner, »Querdenker«, Alt-Hippies, Hooligans, sogenannte Reichsbürger, AfD-Politiker, Neonazis. | | | | | | | | | | | | | Impfgegner bei einer Demo in Düsseldorf (Christoph Hardt / imago images/Future Image) | | | | | | | | Schon am Wochenende waren einmal mehr Tausende Menschen auf der Straße, Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang warnte vor einer neuen, heterogenen Szene von Staatsfeinden, die sich weder dem Links- noch dem Rechtsextremismus zuordnen lasse. Sie verbinde keine ideologische Klammer, sondern die Verachtung des demokratischen Rechtsstaates und seiner Repräsentanten, erklärte Haldenwang in der »FAS«. »Sie lehnen unser demokratisches Staatswesen grundlegend ab.« Nun ist diese Analyse nicht überraschend scharfsinnig. In ihrer ausgesprochenen Klarheit ist sie vom Chef des Inlandsgeheimdienstes dennoch wohltuend. Schließlich möchte man sich nicht ausmalen, wie das Urteil ausgefallen wäre, würde Hans-Georg Maaßen noch den Verfassungsschutz leiten. Haldenwang hat wohl recht: Corona ist für viele, die gegen die staatlichen Maßnahmen protestieren, nur der Aufhänger. Erst ging es gegen Geflüchtete, jetzt gegen die Pandemiepolitik, und irgendwann womöglich gegen Klimaschutz. Die Radikalen unter den »Spaziergängern« werden nicht zu zufriedenen Staatsbürgern, wenn Corona endlich ein ganz normales Virus geworden ist. Nun soll jede und jeder seine Kritik an der Coronapolitik friedlich äußern können, ganz gleich, ob sie auf vernünftigen Argumenten oder absurden Verschwörungsideologien beruht. Das ist in unserem demokratischen Rechtsstaat selbstverständlich. Genauso selbstverständlich sollte es aber sein, dass sich jede und jeder genau überlegt, ob er gemeinsam mit Extremisten und Staatsfeinden um die Häuser zieht. Gewinner des Tages… | | | | | | | | | | | | | Salvatore Caruso (David Barak / imago images/ZUMA Wire) | | | | | | | | … Salvatore Caruso. Nachdem die Einreise-Farce um den serbischen Tennisstar Novak Djoković endlich entschieden ist, rückt der 29-jährige Italiener als »Lucky Loser« ins Feld der Australian Open nach. Ganz gleich, ob Caruso in der ersten Runde ausscheidet oder nicht – endlich geht es wieder um den Sport. Natürlich wird der Name Djoković mit dem ersten Aufschlag nicht einfach so aus dem Turnier verschwinden, aber mit jedem Match können sich die Spieler, die dabei sind, nun die Bühne zurückerobern, die der Weltranglistenerste zuletzt für sich ganz allein beanspruchte. Salvatore Caruso steht in der Weltrangliste übrigens auf Platz 150. In der ersten Runde trifft er auf einen Mann namens Miomir Kecmanović. Der kommt aus Serbien. | | | | | | | | Die jüngsten Meldungen aus der Nacht | | | | | | | | Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heuteKommen Sie gut in die neue Woche. Herzlich, Ihr Philipp Wittrock | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | Jetzt laden: Die SPIEGEL-App für iOS und Android | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | DER SPIEGEL GmbH & Co. KG Ericusspitze 1 • 20457 Hamburg Tel. 040 3007-0 E-Mail: spiegel@spiegel.de
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